Dies ist Teil 2 unserer Serie über KI im Einkauf der Fertigungsindustrie. Der Fokus liegt hier auf prozessbezogenen Risiken – von Datenqualität über Systemintegration bis zur Governance.
1. Integrationsrisiken bei KI-Lösungen
Die Integration von KI-Systemen in bestehende Einkaufs- und ERP-Systeme der Fertigungsindustrie ist komplex und birgt Risiken. Häufig müssen KI-Lösungen über Schnittstellen, Middleware und kundenspezifische Anpassungen angebunden werden In der Praxis bedeutet das: autonome Agenten oder KI-Analysetools müssen mit vorhandenen Beschaffungsplattformen, Datenbanken und Workflows kommunizieren. Jede zusätzliche Schnittstelle erhöht jedoch die Systemkomplexität und damit potenzielle Fehlerquellen. Schon geringe Inkompatibilitäten können zu Dateninkonsistenzen, Prozessabbrüchen oder sogar Sicherheitslücken führen (etwa wenn Zugriffskontrollen nicht durchgängig greifen).
Viele Unternehmen unterschätzen den Integrationsaufwand. Laut einer Umfrage von hays.de sorgen sich 46 % der Verantwortlichen über Schwierigkeiten bei der Integration der KI-Technik in bestehende Prozesse. Ähnlich wichtig ist es, die Betriebsprozesse anzupassen: KI kann nur dann echten Mehrwert liefern, wenn auch die umgebenden Prozesse neugestaltet werden. Beispielsweise sollte ein KI-gestütztes Verhandlungstool in die Beschaffungsrichtlinien und Freigabeschritte eingebettet sein, sonst agiert es im luftleeren Raum. Unternehmen sollten mit Pilotprojekten in kleinem Umfang beginnen, um Integrationsrisiken zu identifizieren und zu beheben, bevor KI unternehmensweit ausgerollt wird. Insgesamt erfordert die Herausforderung Integration ein enges Zusammenwirken von Procurement-Experten, IT-Architekten und Prozessmanagern, um Brüche zwischen alten Systemen und neuen KI-Modulen zu vermeiden.
2. Datenverfügbarkeit und -qualität
KI im Einkauf ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie arbeitet. Doch gerade in traditionellen Fertigungsunternehmen sind Beschaffungsdaten oftmals unvollständig, verstreut und von unterschiedlicher Qualität. Lieferantendaten können z. B. über mehrere Legacy-Systeme verteilt sein, Stammdaten sind veraltet und es fehlen einheitliche Standards. Daten liegen in Silos und Inkonsistenzen führen zu inkorrekten oder widersprüchlichen Entscheidungen. KI-Agenten, die auf solchen Daten basieren, könnten z. B. falsche Bedarfsprognosen abgeben oder unwirtschaftliche Bestellvorschläge generieren.
Die Herausforderung besteht darin, ausreichende und hochwertige Daten bereitzustellen. Unternehmen müssen zunächst ihre Datenhaushalte bereinigen, vereinheitlichen und Datenlücken schließen, bevor KI-Tools sinnvoll eingesetzt werden können. In der DACH-Industrie zeigt sich, dass viele KI-Initiativen genau an diesem Punkt ins Stocken geraten. Rund ein Drittel der deutschen Unternehmen gibt zu, dass die Dateninfrastruktur begrenzt ist und damit KI-Projekte bremst. Neben Qualität spielt auch Datenverfügbarkeit eine Rolle: Einige KI-Anwendungen erfordern externe Daten (z. B. Marktpreise, Risikoindikatoren), die zunächst beschafft und integriert werden müssen. Das Etablieren einer robusten Datenbasis und Governance für Daten (z. B. zentrale Datenpools, regelmäßige Aktualisierung, Datenverantwortliche) ist somit eine Kernaufgabe, um KI-Systeme verlässlich zu machen.
3. Governance, Compliance und ethische Richtlinien
Mit dem Einsatz von KI im Einkauf entstehen neue Anforderungen an Governance und Compliance. Unternehmen müssen Richtlinien definieren, wie KI-Systeme Entscheidungen treffen dürfen, wie sie überwacht werden und welche Daten sie nutzen. Regulatorische Vorgaben kommen hinzu: In der EU zeichnet sich z. B. mit dem AI Act ein Rechtsrahmen für den KI-Einsatz ab, der je nach Risikostufe strenge Auflagen an Transparenz, Risikoanalysen und menschliche Aufsicht vorsieht. Bereits jetzt berichten viele Firmen, dass Compliance und Sicherheitsbedenken Herausforderungen bei KI-Projekten darstellen. Insbesondere in stark regulierten Branchen wie Automotive (Stichwort: TISAX-Zertifizierung für Informationssicherheit) oder Pharma müssen KI-Lösungen in bestehende Kontrollsysteme eingebettet werden.
Ein zentrales Anliegen ist die ethische und sichere Nutzung von KI. Es wird empfohlen, KI-Modelle unter menschlicher Aufsicht regelmäßig auf Fairness, Datenschutz-Konformität und ethische Aspekte zu prüfen. Dazu gehört z. B., algorithmische Biases (Verzerrungen) aufzudecken und zu beheben sowie sicherzustellen, dass KI-Ausgaben nicht gegen Antidiskriminierungs- oder Kartellvorschriften verstoßen. Robuste Cybersicherheitsverfahren sollten implementiert werden, um die von KI verarbeiteten sensiblen Daten zu schützen, gerade im Einkauf hantiert KI oft mit vertraulichen Preisblättern, Verträgen oder technischen Spezifikationen. Eine klare KI-Governance regelt zudem die Zuständigkeiten (siehe Herausforderung 3) und das Vorgehen im Falle von Fehlentscheidungen oder Incidents.
Die Herausforderung besteht darin, Innovation und Regulierung in Einklang zu bringen. Unternehmen in der DACH-Region beginnen, interne KI-Richtlinien zu formulieren – etwa Leitplanken für autonome Agenten oder Freigabeprozesse, wenn KI Ergebnisse liefert. Diese Governance-Mechanismen stellen sicher, dass KI nicht unkontrolliert agiert und dass bei allen Effizienzgewinnen die Compliance (z. B. mit Datenschutz, IT-Sicherheitsgesetzen, Lieferkettengesetzen) gewährleistet bleibt.
Teil 3 der Serie wird nächste Woche veröffentlicht und widmet sich der Technologie – 4 Cybersicherheitsrisiken im KI-getriebenen Einkauf
Haben Sie teil 1 verpasst? Hier lesen Sie: Mensch im Mittelpunkt – 3 Herausforderungen für den Einkauf im KI-Zeitalter