Wie wirtschaftliche Unsicherheiten und strukturelle Veränderungen die deutschen Lieferketten und die gesamte Industrie beeinflussen.
Vor einem Jahr haben wir eine Checkliste mit acht zentralen Herausforderungen für das Beschaffungswesen veröffentlicht, mit denen sich Fertigungsunternehmen im Jahr 2024 konfrontiert sehen würden. Darin hieß es: „Das Beschaffungswesen ist dynamischer denn je. Es muss schnell auf plötzliche Veränderungen und unerwartete Marktentwicklungen reagieren können.“ Diese Prognose hat sich bewahrheitet, besonders im Hinblick auf die grundlegenden Veränderungen der US-Wirtschaftspolitik, die durch die Wahl von Donald Trump zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten angestoßen wurden. Seine Begeisterung für Zölle und das Motto „Buy American“ wirft die Frage auf: Welche Auswirkungen haben diese Maßnahmen speziell für Unternehmen in der DACH-Region?
Auswirkungen auf die DACH-Region
Die Länder der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) spielen eine Schlüsselrolle im transatlantischen Handel. Deutschland, als größte Volkswirtschaft Europas, ist dabei besonders stark in den US-Markt eingebunden. Laut den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts beliefen sich die deutschen Exporte in die USA im Jahr 2023 auf 157,9 Milliarden Euro (ca. 172 Milliarden US-Dollar), während die Importe aus den USA 94,7 Milliarden Euro (ca. 103 Milliarden US-Dollar) betrugen. Vorläufige Daten für 2024 deuten darauf hin, dass die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA weiter gewachsen sind, mit einem Gesamtvolumen von rund 255 Milliarden Euro.
Die Schweiz hat in den letzten Jahren ihre Abhängigkeit von den USA weiter verstärkt. Im Jahr 2023 exportierte die Schweiz Waren im Wert von 49 Milliarden Schweizer Franken (ca. 53 Milliarden US-Dollar) in die USA, womit die USA seit 2021 Deutschland als wichtigsten Handelspartner der Schweiz abgelöst haben. Für 2024 gibt es noch keine vollständigen Zahlen, aber das Wachstum dürfte sich fortsetzen. Für Österreich liegen aktuell keine spezifischen neuen Handelsdaten mit den USA vor, jedoch ist bekannt, dass die USA zu den Top-Exportmärkten gehören, insbesondere für Maschinenbau, Pharma und Automobilzulieferungen.
Wirtschaftliche Herausforderungen
Deutschland steht wirtschaftlich unter erheblichem Druck. Für 2024 wurde eine nahezu stagnierende Wachstumsrate prognostiziert. 2025 erwarten Wirtschaftsinstitute zwar eine leichte Erholung, doch Unsicherheiten bleiben bestehen. Laut der Bundesregierung und führenden Wirtschaftsforschungsinstituten soll das BIP im kommenden Jahr um 0,5 % bis 1,0 % wachsen. Doch geopolitische Spannungen, steigende Energiepreise und Handelskonflikte könnten diese Entwicklung bremsen.
Besonders die Automobilindustrie, eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft, sieht sich mit sinkender Nachfrage und zunehmendem Wettbewerb aus China konfrontiert. Geplante Stellenstreichungen bei Konzernen wie Volkswagen und Mercedes-Benz könnten weitreichende Folgen für die gesamte Zulieferkette haben. Auch Österreich und die Schweiz, die eng in deutsche Lieferketten eingebunden sind, könnten indirekt betroffen sein.
Trotz dieser Herausforderungen gibt es Hoffnung auf eine moderate Erholung – vorausgesetzt, Unternehmen und Politik finden Wege, um Innovationen zu fördern und wirtschaftliche Stabilität zu sichern.
Für die DACH-Region könnten US-Zölle und „Buy American“-Initiativen nicht zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen. Unternehmen sehen sich bereits mit steigenden Energiekosten, geopolitischen Unsicherheiten (wie dem Krieg in der Ukraine) und einer zunehmenden Inflation konfrontiert.
Strategien zur Anpassung für Unternehmen der DACH-Region
1. Lieferketten neu bewerten
Unternehmen in der DACH-Region sollten jetzt ihre Beschaffungsstrategien überdenken. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Diversifizierung der Lieferketten gelegt werden. Beispiele:
- Lokalisierung: Produktionsstätten in den USA können eine Lösung sein, um Zölle zu umgehen. Unternehmen wie Siemens haben bereits Produktionskapazitäten vor Ort ausgebaut, um von lokalen Marktvorteilen zu profitieren.
- Lieferantenkooperation: Die Zusammenarbeit mit neuen Lieferanten in Nord- oder Südamerika könnte helfen, Handelsbarrieren zu umgehen und die Abhängigkeit von Märkten wie China zu reduzieren.
2. Nutzung digitaler Lösungen
Die Fähigkeit, Lieferketten flexibel und transparent zu steuern, wird zunehmend entscheidend. Unternehmen sollten in fortschrittliche Technologien investieren, um Risiken zu bewerten und Szenarien durchzuspielen:
- Echtzeit-Analysen: Systeme, die es ermöglichen, die Auswirkungen von Zöllen oder Handelshemmnissen sofort zu simulieren.
- Sourcing: Plattformen, die es erlauben, neue Lieferanten schnell zu identifizieren und Verträge effizient anzupassen.
3. Nachhaltigkeit und langfristige Planung
Obwohl ESG-Ziele (Umwelt, Soziales und Governance) möglicherweise kurzfristig in den Hintergrund treten, wird nachhaltiges Wirtschaften langfristig unverzichtbar bleiben. Unternehmen der DACH-Region, bekannt für ihre Innovationskraft, können hier ihre Vorreiterrolle nutzen:
- Investitionen in grüne Produktionstechnologien, z. B. in emissionsarme Fertigung.
- Förderung von Kreislaufwirtschaftsmodellen, die Ressourcen effizienter nutzen und Abhängigkeiten reduzieren.
4. Stärkung von Allianzen in der Region
Die enge wirtschaftliche Verflechtung innerhalb der DACH-Region bietet Potenziale, um gemeinsam Herausforderungen zu bewältigen. Der Austausch bewährter Verfahren, gemeinsame Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie eine koordinierte Lobbyarbeit könnten die Position der Region stärken.
Fazit
Die Handelsstrategien der neuen US-Regierung könnten weitreichende Auswirkungen auf Unternehmen der DACH-Region haben. Doch mit der richtigen Vorbereitung und dem Einsatz moderner Technologien haben die Unternehmen die Möglichkeit, Risiken zu mindern und neue Chancen zu nutzen. Die DACH-Region hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie flexibel und anpassungsfähig ist – diese Eigenschaften werden entscheidend sein, um auch in einem schwierigen globalen Umfeld erfolgreich zu bleiben.
Sind sie an mehr Informationen interessiert, schauen sie sich die Aufzeichnung unseres Webinars zu dem Thema: „Navigating Potential U.S. Policy Changes and Their Impact On Strategies for European Manufacturers“ an: Jetzt anschauen